Die Kunstpunkt Stiftung Herpel fördert insbesondere Projekte zu folgenden Bereichen:


[a] Theorie

Die Stiftung fördert schriftliche wie auch künstlerisch-handwerklich hergestellte Arbeiten, die einen nachvollziehbaren »theoretischen Kern« aufweisen. Diskursive und intuitive Theorien werden gleichberechtigt berücksichtigt. Es wird erwartet, dass die Kunstschaffenden/ Intellektuellen bereit sind, ihre theoretisch-praktischen Arbeiten in Diskussionen darzustellen und zu verteidigen. Theoretische Begründungen kulturpolitischer Experimente zählen zu diesem Themenkreis.

Mit besonderem Nachdruck fördert die Stiftung biographische, philosophische, kulturpolitische und kunsttheoretische Arbeiten, die von Künstlern ersonnen und in Angriff genommen werden. Das bedeutet: andere Berufsgruppen (Kunsthistoriker, Soziologen, Philosophen, Kulturanthropologen, Ethnologen u.a.) sind zwar nicht ausgeschlossen, praktizierende Künstler sind aber deutlich bevorzugt.

Die Förderungen für Theoriearbeit können in drei verschiedenen Formen vergeben werden: 

1) Aufenthaltsstipendium (ein- bis dreimonatiger Aufenthalt im Kladow Kolleg mit Zuschuss)

2) Finanzstipendium (zweimalige Geldzuwendung, zu Beginn und in der Mitte des Förderzeitraums)

3) Publikationsstipendium (einmalige Zuwendung an einen Verlag)

Bevorzugte Themen und Schwerpunkte der Theoriearbeit sind die Besonderheiten künstlerischen Denkens und Handelns im Unterschied zu anderen Formen des Denkens und Handelns⁴ . Auch Themen des Individualismus, der Exzentrik und Bizarrerie, Arbeiten über entlegene Kunsttheorien, singuläre Leistungen und interessante Randerscheinungen sind willkommen.

 

[b] Künstlerische Bildung

Es werden Projekte gefördert, die sich um Vermittlung künstlerischen Wahrnehmens, Denkens und Handelns bemühen. Das können pädagogische Experimente sein, Projekte der Erwachsenenbildung und Jugendförderung, Hochschulaktivitäten, Langzeitprojekte und selbstverantwortete Kurse und Bildungsangebote der freien Szene, wozu auch eine Fort- und Weiterbildung für Kunstschaffende/ Intellektuelle gehört.


[c] Cooperationen

Cooperationen herzustellen ist eine wesentliche, aber schwierige Aufgabe, vor allem Cooperationen von Künstler/innen mit Nicht-Künstler/innen. Die Stiftung fördert einschlägige Projekte und Bestrebungen von Künstler/innen, die versuchen, auf allen gesellschaftlichen Ebenen, Cooperationen und Coproduktionen in die Praxis einzuführen und zu etablieren. Aufbau und Pflege eines Cooperationspartner-Netzes und die Erfindung neuer Formate sind ebenfalls förderungswürdig.

Gefördert werden Projekte, die von Künstler/innen ausgehen, die sich bei der Stiftung um Stipendien für selbst ersonnene Projekte bewerben. Diese Projekte sollten vorwiegend cooperative Projekte sein, wie etwa die Zusammenarbeit eines Künstlers oder einer Künstlerin mit einer Gartenbaufirma, einem Forschungsinstitut oder einem Vertreter der auswärtigen Kulturpolitik, mit einem Städtebaubüro, einem Ingenieurbüro oder einem Stadtplanungsamt, mit Hochschulinstituten, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Initiativen oder Zusammenschlüssen.

Der Künstler/ die Künstlerin oder eine Gruppe (Gruppenprojekte³) bewerben sich mit einer Projektskizze, einem Arbeits- und Zeitplan, einem Kosten- und Finanzierungsplan und der Kooperationserklärung ihres Cooperationspartners. 

Bei den Projekten kann es sich auch um Bildungs- und Fortbildungsprojekte im weitesten Sinne handeln, wie z.B. »Illustrations- und Formulierungskurse für Wissenschaftler«, oder angeleitete »Cooperationskurse für die Verwaltung«, oder auch um ambitionierte Kleinkunstprojekte (wie Puppenbühnen, Straßen- und Figurentheater, alternative Ausstellungsprojekte, Performances) oder um Weiterbildung für Kulturattachés und Kulturverwalter.


[d] Mitarbeit

Das bekannte Modell des »Artist in Residence« (AiR), das je nach Kooperationspartner variiert und in den unterschiedlichsten Formen angeboten und durchgeführt werden kann, möchte die Stiftung insofern verschärfen und zuspitzen, als die Kooperationspartner betont und gezielt in nicht-künstlerischen Arbeitsfeldern gesucht werden.

Firmen, Verwaltungen und Behörden, Interessenvertreter und berufsständische Gruppierungen, Verbände und Vereine, zivilgesellschaftliche Organisationen und Zusammenschlüsse sollen auf ihre Bereitschaft befragt werden, Künstler und Künstlerinnen temporär in ihren Personalstamm aufzunehmen. Die Künstlerinnen und Künstler sind auf der Grundlage eines Werkvertrages¹ tätig, ihre Rolle ist die eines »Professionellen Externen«, der zwei bis drei Monate bei dem Kooperationspartner mitarbeitet. Die Definition des »Werks« im Vertrag könnte die der »qualifizierten, freien Mitarbeit« sein. 

Die Stiftung ist überzeugt, dass Künstlerinnen und Künstler in der Regel schneller und darüber hinaus mehr wahrnehmen und daher in Konzipierungs- und Planungszusammenhängen gut aufgehoben sind. Kunst ist weder Sozialarbeit noch Freizeitbeschäftigung, sondern eine anspruchsvolle und antizipierende, Zeit und Kräfte raubende Arbeit, die häufiger das Gemeinwohl im Auge hat, als das im Allgemeinen angenommen wird.

Künstlerisches Denken und Handeln ist in der Regel realistischer und weitblickender als anderes Denken und Handeln, weil es die Imponderabilien miteinbezieht und einer anderen Auffassung von Genauigkeit folgt.

Der Stiftungszweck, das künstlerische Denken und Handeln zu fördern, kann sich nur in Projekten der Zusammenarbeit zeigen und bewähren. Eine solche Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn Partner zu solchen Projekten bereit sind. Die Stiftung macht sich auf den Weg, solche Partner zu finden und ein solchermaßen erweitertes AiR-Programm auch in Deutschland stärker als bisher zu etablieren². 

  1. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein (BGB § 631 [2]).

  2.  Ein abgewandeltes Vorbild ist: »Pépinière Européennes de Creation«, Transcultures Europe Pépinières de Création, 27 Rue Alexandre Dumas, 75011 Paris, France, +33 7 56 90 50 70, info@pepinieres.eu, pec.transcultures@gmail.com. Künstlerischer Leiter und Gründer von Transcultures und Generaldirektor des internationalen Netzwerks »European Pepinieres of Creation« ist Philippe Franck (philfranck@gmail.com).

  3.  Gruppenprojekte können ebenso gefördert werden, bevorzugt werden allerdings überschaubare Projekte von Einzeltäter/innen. Auch Künstler-Kollektive können sich bewerben, die ein gemeinsames Projekt planen und sich um eine Unterstützung bemühen. Zum Inhalt der Bewerbung gehört dabei selbstverständlich die Anzahl der Mitglieder, befristete Cooperationszusagen und Erläuterungen zu den Zielen und Methoden.
  4. Bei anderen Formen ist beispielsweise zu denken an konventionelle, praktische, berechnende, logische, ökonomische, realistische, interessengesteuerte, zielführende, modische, direkte, politisch erwünschte, berechnete, gewinnmaximierende, naheliegende, opportune, kompromisslerische, ausgehandelte, statistikbasierte, orthodoxe, IT-affine, einäugige, bedarfsgerechte Formen des Denkens und Handelns.