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Die Kunstpunkt Stiftung Herpel fördert insbesondere Projekte zu folgenden Bereichen:
[a] Theorie
Die Stiftung fördert schriftliche wie auch künstlerisch-handwerklich hergestellte Arbeiten, die einen nachvollziehbaren »theoretischen Kern« aufweisen. Diskursive und intuitive Theorien werden gleichberechtigt berücksichtigt. Es wird erwartet, dass die Kunstschaffenden/ Intellektuellen bereit sind, ihre theoretisch-praktischen Arbeiten in Diskussionen darzustellen und zu verteidigen. Theoretische Begründungen kulturpolitischer Experimente zählen zu diesem Themenkreis.
Mit besonderem Nachdruck fördert die Stiftung biographische, philosophische, kulturpolitische und kunsttheoretische Arbeiten, die von Künstlern und Künstlerinnen ersonnen und in Angriff genommen werden. Das bedeutet: andere Berufsgruppen (Kunsthistoriker, Soziologen, Philosophen, Kulturanthropologen, Ethnologen u.a.) sind zwar nicht ausgeschlossen, praktizierende Künstler und Künstlerinnen sind aber deutlich bevorzugt.
Die Förderungen werden in drei verschiedenen Formen vergeben:
1) Aufenthaltsstipendium: Aufenthalt im Kladow Kolleg mit Zuschuss zur doppelten Haushaltsführung, Zeitraum 4 bis 6 Wochen. (Kuratoriumsentscheidung)
2) Projektförderung: Geldzuwendung nach akzeptierter Projektbeschreibung durch das Kuratorium.
3) Publikationsförderung: Einmalige Geldzuwendung nach Vorlage des Publikationsvorhabens und Befürwortung durch das Kuratorium.
Bevorzugte Themen und Schwerpunkte der Theoriearbeit sind die Besonderheiten künstlerischen Denkens und Handelns im Unterschied zu anderen Formen des Denkens und Handelns⁴ . Auch Themen des Individualismus, der Exzentrik und Bizarrerie, Arbeiten über entlegene Kunsttheorien, singuläre Leistungen und interessante Randerscheinungen sind willkommen.
[b] Künstlerische Bildung
Es werden Projekte gefördert, die sich um Vermittlung künstlerischen Wahrnehmens, Denkens und Handelns bemühen. Das können pädagogische Experimente sein, Projekte der Erwachsenenbildung und Jugendförderung, Hochschulaktivitäten, Langzeitprojekte und selbstverantwortete Kurse und Bildungsangebote der freien Szene, wozu auch eine Fort- und Weiterbildung für Kunstschaffende/ Intellektuelle gehört.
[c] Cooperationen
Cooperationen herzustellen ist eine wesentliche, aber schwierige Aufgabe, vor allem Cooperationen von Künstlern und Künstlerinnen mit Nicht-Künstlern. Die Stiftung fördert einschlägige Projekte und Bestrebungen von Künstlern und Künstlerinnen, die versuchen, auf allen gesellschaftlichen Ebenen, Cooperationen und Coproduktionen in die Praxis einzuführen und zu etablieren. Aufbau und Pflege eines Cooperationsnetzes und die Erfindung neuer Formate sind ebenfalls förderungswürdig.
Gefördert werden Projekte, die von Künstlern und Künstlerinnen ausgehen, die sich bei der Stiftung um Stipendien für selbst ersonnene Projekte bewerben. Diese Projekte sollten vorwiegend cooperative Projekte sein, wie etwa die Zusammenarbeit eines Künstlers oder einer Künstlerin mit einer Gartenbaufirma, einem Forschungsinstitut oder Vertretungen der auswärtigen Kulturpolitik, mit einem Städtebaubüro, einem Ingenieurbüro oder einem Stadtplanungsamt, mit Hochschulinstituten, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Initiativen oder Zusammenschlüssen.
Die Künstler:innnen oder eine Gruppe (Gruppenprojekte³) bewerben sich mit einer Projektskizze, einem Arbeits- und Zeitplan, einem Kosten- und Finanzierungsplan und der Kooperationserklärung ihrer Cooperationspartner.
Bei den Projekten kann es sich auch um Bildungs- und Fortbildungsprojekte im weitesten Sinne handeln, wie z.B. »Illustrations- und Formulierungskurse im Rahmen der Wissenschaft«, oder angeleitete »Cooperationskurse für die Verwaltung«, oder auch um ambitionierte Kleinkunstprojekte (wie Puppenbühnen, Straßen- und Figurentheater, alternative Ausstellungsprojekte, Performances) oder um Weiterbildung für „Kulturattachés“ und sonstige Verwaltungsmitarbeiter in kulturellen Bereichen.
[d] Mitarbeit
Das bekannte Modell des »Artist in Residence« (AiR), das je nach Partnerorganisation variiert und in den unterschiedlichsten Formen angeboten und durchgeführt wird, möchte die Stiftung insofern verschärfen und zuspitzen, als die Partnerorganisationen betont und gezielt in nicht-künstlerischen Arbeitsfeldern gesucht werden.
Firmen, Verwaltungen und Behörden, Interessenvertretungen und berufsständische Gruppierungen, Verbände und Vereine, zivilgesellschaftliche Organisationen und Zusammenschlüsse sollen auf ihre Bereitschaft befragt werden, Künstler und Künstlerinnen temporär in ihren Personalstamm aufzunehmen. Die Künstler und Künstlerinnen sind auf der Grundlage eines Werkvertrages¹ tätig, ihre Rolle ist die eines »Professionellen Externen«, der/die zwei bis drei Monate bei der Partnerorganisation mitarbeitet. Die Definition des »Werks« im Vertrag könnte die der »qualifizierten, freien Mitarbeit« sein.
Die Stiftung ist überzeugt, dass Künstler und Künstlerinnen in der Regel schneller und darüber hinaus mehr wahrnehmen und daher in Konzipierungs- und Planungszusammenhängen gut aufgehoben sind. Kunst ist weder Sozialarbeit noch Freizeitbeschäftigung, sondern eine anspruchsvolle und antizipierende, Zeit und Kräfte raubende Arbeit, die häufiger das Gemeinwohl im Auge hat, als das im Allgemeinen angenommen wird.
Künstlerisches Denken und Handeln ist in der Regel realistischer und weitblickender als anderes Denken und Handeln, weil es die Imponderabilien mit einbezieht und einer anderen Auffassung von Genauigkeit folgt.
Der Stiftungszweck, das künstlerische Denken und Handeln zu fördern, kann sich nur in Projekten der Zusammenarbeit zeigen und bewähren.
Eine solche Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn Partnerorganisationen zu solchen Projekten bereit sind. Die Stiftung macht sich auf den Weg, solche Partner zu finden und ein solchermaßen erweitertes AiR-Programm auch in Deutschland stärker als bisher zu etablieren².
Zu 1. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein (BGB §63[2]).
Zu 2. Ein abgewandeltes Vorbild ist: »Pépinière Européennes de Creation«, Transcultures Europe Pépinières de Création, 27 Rue Alexandre Dumas, 75011 Paris, France, +33 7 56 90 50 70, info@pepinieres.eu, pec.transcultures@gmail.com. Künstlerischer Leiter und Gründer von Transcultures und Generaldirektor des internationalen Netzwerks »European Pepinieres of Creation« ist Philippe Franck (philfranck@gmail.com).
Zu 3. Gruppenprojekte können ebenso gefördert werden, bevorzugt werden allerdings überschaubare Projekte von Einzeltätern. Auch Künstler-und Künstlerinnen-Kollektive können sich bewerben, die ein gemeinsames Projekt planen und sich um eine Unterstützung bemühen. Zum Inhalt der Bewerbung gehört dabei selbstverständlich die Anzahl der Mitglieder, befristete Cooperationszusagen und Erläuterungen zu den Zielen und Methoden
Zu 4. Bei anderen Formen ist beispielsweise zu denken an konventionelle, praktische, berechnende, logische, ökonomische, realistische, interessengesteuerte, zielführende, modische, direkte, politisch erwünschte, berechnete, gewinnmaximierende, naheliegende, opportune, kompromisslerische, ausgehandelte, statistikbasierte, orthodoxe, IT-affine, einäugige, bedarfsgerechte Formen des Denkens und Handelns.
Beispiele förderungswürdiger Projekte, Arbeiten und Erfindungen
… originelle und originäre, mutige, nicht-modische und nicht kommentierende Arbeiten zur Kunsttheorie
… Eigenständige kunsttheoretische Konzepte, künstlerischer, nicht kunsthistorischer Art
… Kunsttheoretische Hypothesen und Beispielsammlungen
… Arbeiten zur Kulturgeschichte des … Findens und Erfindens, des Schaukelns, Versteckens, Verkleidens, Beete-Anlegens und Hüttenbauens, der Miniatur und des Modells, des Hebels, der Kiste, der Vitrine, bestimmter Gesten und Bewegungen, Begriffe und Missverständnisse
… Erfindung neuer Formate der Präsentation und des Experiments; neuer Formen und Anlässe für Konzerte, Feste, Vorführungen, Demonstrationen, Neuheiten-Vorstellungen, Vorlesungen, Ausstellungen, für das öffentliche Streiten und Debattieren, das unverbindliche Treffen und das Sich-Zeigen …
… Diskussion des »Heterotops« (des Ortes , an dem alles anders ist) und Pläne zum Finden desselben, zu Gestaltung, Erhaltung und Schutz
… Erfindung, Begründung und Realisierungspläne für neue Berufe und Entwürfe entsprechender Berufsbilder
… Projekte der Kooperation von Künstlern und Künstlerinnen und Nicht-Künstlern
… Entwicklung neuer »Artist in Residence«-Modelle und Konstellationen
… Alternative und Ergebnisorientierte neuer Formen der Gruppenarbeit mit Jugendlichen
… Arbeiten zum Stichwort: »Kluge Kunst«
… Thema: Die andere Seite des Intellekts in der Kunst, Kritik des »Geistigen in der Kunst« (Kandinsky, 1912) und dessen Neufassung
… Die Rolle der Kunst und der beratende Künstlerschaft in der Kommunalpolitik, in Vereinen, Kirchen, Initiativen, Interessensverbänden und Gruppierungen
… Arbeiten zum Thema: Die Position der Kunst, des künstlerischen Denkens und Handelns in der Bildungslandschaft. In nahezu allen Institutionen der Bildung spielen die Künste zwar eine marginalisierte, aber doch entscheidende Rolle. Restrukturierung und »Rethinking« dieses Sachverhalts tut not. Sowohl eine Begabtenförderung als auch ein diesbezügliches Fortbildungsprogramm sollten erfunden und etabliert werden. Pilotprojekte, Experimente und Erprobungen dieser bildungspolitischen Projekte sind förderungswürdig.
… Außerschulische Vermittlungsformen in freier Trägerschaft
… Allgemeine Öffentliche Diskussionen von kommunaler »Gestaltungssatzungen« von Kommunen unter Beteiligung und Mitsprache der Künstler und Künstlerinnen.
… Pläne zur Organisationsberatung, Mitsprache und Beteiligung von Künstler:innen in der Gremienarbeit, in welcher über staatliche Stipendien, Landes-, Hochschul- und kommunale Stipendien entschieden wird; Mitsprache und Beteiligung von Künstlern und Künstlerinnen in den Fördergremien wie Villa Massimo, Villa Romana, Goethe-Instituten, Deutscher Kunstrat, Deutscher Musikrat, ARD/ZDF
… Thema: Kolonialproblematik und internationale Kunst
… Pläne zur Integration des künstlerischen Denkens und Handelns in Universitäten und Hochschulen; nicht als Kunstgeschichte, sondern als Kunsttheorie und Produktionsästhetik
… Herstellung von Verzeichnissen nach dem Muster des Köchel-Verzeichnisses; zu denken ist in erster Linie an Künstler/Künstlerinnen- und Werkverzeichnisse, aber auch an Verzeichnisse von Kooperationspartneradressen, Förderungseinrichtungen, Preisen und Stiftungen, von Galerien, Verbänden, Arbeitsgemeinschaften, Kunsthallen, Bezugsquellen.
… Experimentelle Theaterprojekte, Konzert-, Tanz- und Performanceprojekte, worksops
… Experimentelle Notationen und Partituren und deren Realisierungen und Publikation
… Beiträge zur Semiotik, zur Philosophie der Kunst, Kunstkritik und Bildwissenschaft
… Beiträge zur Museologie, Kritik der Museumspädagogik, Museums- und Sammlungspolitik
… Beiträge zur Kritik der Visualisierung, ClipArt, Powerpoint und Anmerkungen zum iconic turn
. . .kritische Beiträge zur wissenschaftlichen Illustration, zur Beispielwahl und Visualisierungsmode
… Debatten über das U und E in den Künsten
… Kriterien für die Beurteilung im Zeitalter der KI, der Chatbots und des Digital Imaging
… zweierlei Arten von Collage (Fragmentiertes Bild und neues Gesamtbild)
… Neue Kunst-und Wunderkammern, neue Labore und Observatorien
… Bildbearbeitung und Zeugenschaft, das Bild vor Gericht
… Arbeiten zur Begriffsgeschichte künstlerischer Termini (zB andante grazioso)
… Karussell, Riesenrad und Geisterbahn oder Die Erfindung neuer Attraktionen
.. . Kritik der Epochen-, Stil- und Werkbegriffe in der Kunstgeschichte
.. . Experimente zur Quantitativen Wahrnehmung und Wahrnehmungsgeschwindigkeit
… Steganografie und Kunst -– Kunst und Kommunikation
… Blinde Sprache, Stummes Bild oder Neufassung des Paragone
… Künstler und Künstlerin als „professionelle Externe“, Entwurf eines Berufsbildes
… Arbeiten zum Thema des »Schmückens«, der Repräsentation und des Spurenlegens
… und weiteres Erstaunliches, Nicht-Modisches und Eigenes